Im Jahr 2018 schaffte die Stadt Chemnitz für rund 850.000 Euro hochmoderne Kameras an, um die Innenstadt flächendeckend zu überwachen. Dass es dabei reichlich Kritik hagelte, störte dabei wenig. Jetzt droht die Zwangsabschaltung, da sich die Vorhersagen, dass sie nichts bringen, zu bestätigen scheinen.

Die Entscheidungsgrundlage für den Stadtrat damals waren kaum zwei Seiten A4, wesentliche Konzepte und Informationen fehlten. Der Demoknopf (1) kam und ging je nach Gemütslage Einzelner und das Datenschutzkonzept (2) war schlicht nicht vorhanden.

Kurzum: es war eine dilettantische Vorlage, die bereits in Hinterzimmern entschieden war, bevor sie das demokratische Organ der Stadt überhaupt erreichte. Anders konnte man die gefällte Entscheidung wohl kaum begründen.

Als ob dieses Durcheinander nicht reichen würde, kam 2020 die Polizeibehörde auch noch auf die Idee, die Kameras einzusetzen, um Ordnungswidrigkeiten aufzudecken (3). Wahrscheinlich fiel schon damals auf, dass die Kosten-Nutzen Rechnung nicht aufgeht und man suchte noch Einsatzgebiete, um die Kameras und die Ausgaben zu rechtfertigen.

Fakten schienen dabei noch nie eine große Rolle gespielt zu haben, zum Beispiel, dass Kameras laut Studien die Kriminalität gar nicht senken (4), maximal werden potentielle Straftaten nur an andere Orte verschoben (5).

Die Wirksamkeit von Kameraüberwachung ist nicht wissenschaftlich belegt. Vielmehr ist aus langjähriger Erfahrung in anderen Städten davon auszugehen, dass Kriminalität an nicht-überwachte Orte verdrängt und ein Gefühl der Scheinsicherheit erzeugt wird.

~ Tim Detzner, Vositzender

Sicher, was man nicht sieht, stört auch nicht. Selbst die Polizeistatistik zeigt: Angezeigte Straftaten stiegen, die Gesamtzahl jedoch sank im ganzen Stadtgebiet. Die Entwicklung in der Innenstadt ist kein Ergebnis der Überwachung und die Überwachung bringt keine Sicherheit, im Gegenteil: sie macht Kriminalität weniger sichtbar.

Es gibt viele gute Maßnahmen, viele davon wurden durch die Stadt Chemnitz auch umgesetzt. Die Eröffnung des Streetwork-Innenstadtbüros CityContact 2017 (7) sowie die erhöhte Präsenz der Polizei und Polizeibehörde, welche in Notfällen direkt eingreifen können, hat mit Sicherheit mehr zur Sicherheitslage beigetragen als jede Überwachung.

Fazit:

Kriminalität findet da statt wo man sie nicht sieht, außerhalb der Überwachung, außer die, die von Menschen angezeigt wird. Damit die Anschaffung nicht ganz umsonst war, sollte man vielleicht die Kameras in den Hinterzimmern aufhängen, um sicherzustellen, dass dort alles mit rechten Dingen abgeht.

 


Quellen:

  1. https://www.freiepresse.de/neuer-streit-um-video-berwachung-artikel10500848
  2. https://www.tag24.de/nachrichten/chemnitz-sachsen-skandalvideo-ueberwachung-datenschutz-verbot-814054
  3. https://www.tag24.de/chemnitz/stadt-chemnitz-jagt-corona-suender-mit-video-ueberwachung-1936956
  4. https://www.zeit.de/digital/datenschutz/201304/videoueberwachung-panopticon/seite‑2
  5. https://digitalcourage.de/videoueberwachung/materialsammlung
  6. https://www.freiepresse.de/chemnitz/immer-weniger-straftaten-kameras-im-chemnitzer-zentrum-vor-der-abschaltung-artikel11800197
  7. https://ajz-chemnitz.de/ajz-streetwork.html
  8. https://www.linksfraktion.de/themen/a‑z/detailansicht/videoueberwachung/